gastkommentar

Die vierte industrielle Revolution

ANSICHTEN Das Ende des letzten Jahrtausends war geprägt durch eine Entwicklung vom Industrie- zum Informationszeitalter. Diese neue Epoche einer veränderten Gesellschafts- und Wirtschaftsform machte sich im täglichen Arbeits- und Privatleben bemerkbar. Die rasante Entwicklung in der Informationsbereitstellung und Informationsbeschaffung sowie in der Kommunikation ist nach wie vor nicht abgeschlossen. Autor: Ing. Christian Erlinger, Produktmarketing Coscom/Proxia

Die Zukunft wird auch für die Softwareanbieter eine große Herausforderung sein. Es gilt, die Stärken der individuellen Produktionsunternehmen mit IT-Prozesslösungen zu unterstützen. Das Prozessdesign und die Beratung wird an Stellenwert gewinnen. 

Ing. Christian Erlinger, Produktmarketing Coscom/Proxia

Die Zukunft wird auch für die Softwareanbieter eine große Herausforderung sein. Es gilt, die Stärken der individuellen Produktionsunternehmen mit IT-Prozesslösungen zu unterstützen. Das Prozessdesign und die Beratung wird an Stellenwert gewinnen. Ing. Christian Erlinger, Produktmarketing Coscom/Proxia

So wie das Internet den Startschuss in das Informationszeitalter gegeben hat, ist diese Technologie auch weiterhin der Innovationstreiber in der kontinuierlichen Weiterentwicklung. Das Internet ist in vielen Bereichen der Gesellschaft zum bestimmenden Faktor geworden. Die Wirtschaft, das Finanzwesen, die Bildung oder auch das Privatleben werden maßgeblich von dieser Technologie beeinflusst. In kurzen Abständen erreichen uns Weiter- und Neuentwicklungen im Bereich der Internetnutzung, der mobilen Kommunikation und anderer digitalen Techniken. Durch diese technischen Fortschritte werden auch neue Anwendungen und Bedürfnisse entwickelt und treiben Innovationen voran.

Bestehende Informationen aus den verschiedenen Prozessebenen intelligent verknüpfen – eine Grundlage zur Smart Factory. Die Schwesterunternehmen Proxia und Coscom verwirklichen Industrie 4.0 im Bereich der Zerspanungsindustrie.

Bestehende Informationen aus den verschiedenen Prozessebenen intelligent verknüpfen – eine Grundlage zur Smart Factory. Die Schwesterunternehmen Proxia und Coscom verwirklichen Industrie 4.0 im Bereich der Zerspanungsindustrie.

Warum brauchen wir eine industrielle Revolution?

Die vergangenen Jahrzehnte in Mitteleuropa waren geprägt von einer Abwanderungswelle der produzierenden Industrie. Viele Industriezweige wanderten in sogenannte „Billiglohnländer“ ab, um dem Wettbewerbsdruck standhalten zu können. Niedrigere Energie- oder Infrastrukturkosten waren ebenso ausschlaggebend für so manchen Standortwechsel.

Die jüngste Vergangenheit zeigt eine gravierende Veränderung seitens der Marktanforderungen an die produzierende Industrie. Die Individualisierung von Produkten schreitet mit großen Schritten voran. Großserien werden zu Kleinserien bis hin zum Einzelteil. Die Produktvielfalt nimmt enorm zu und fordert dem Produktionsunternehmen eine hohe Flexibilität ab. Das hat zur Folge, dass klassische Wertschöpfungsketten in der Produktion nicht mehr zum gewünschten Erfolg führen. Diese Herausforderungen in der Produktion suchen nach neuen Ideen.

Von der industriellen Revolution in das Informationszeitalter. Die moderne Produktion ist flexibel, agil und hoch individualisiert.

Von der industriellen Revolution in das Informationszeitalter. Die moderne Produktion ist flexibel, agil und hoch individualisiert.

Softwareanbieter stehen in der Pflicht

Das Zukunftskonzept nimmt auf die wirtschaftlichen bzw. gesellschaftlichen Herausforderungen Bezug und positioniert zugleich einen technischen Meilenstein für die Industrieproduktion – sogenannte Cyber-Physical Production Systems (CPPS). Diese visionären Produktionssysteme zeichnen sich durch intelligente Maschinen, Lagersystemen und Betriebsmittel, die eigenständig Informationen austauschen, aus. Die Produktionsprozesse der Zukunft verfügen über Selbststeuerungseffekte und eine bidirektionale Kommunikation in Echtzeit.

Systematische Wertschöpfungsketten werden zu Wertschöpfungsnetzwerken. Die Vernetzung und Bereitstellung von Information ist die große „Challenge“ für die Softwarehersteller. Dazu kommt die verstärkte Kommunikation mit der „Automatisierungsabteilung“ in der Produktion. Anlagen und Maschinen werden zukünftig noch intensiver in den Softwareprozess eingebunden werden müssen. Dies stellt vor allem eine große Herausforderung an die Standardisierung von Hardwareschnittstellen (Sensorik) dar. Der Umgang mit großen Datenmengen sowie die Bereitstellung leistungsstarker EDV-Infrastrukturen (Netzwerk) sind Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung. Schlussendlich wird die horizontale Integration über Wertschöpfungsnetzwerke und die vertikale Integration im heterogenen Produktionsumfeld eine Informationsvernetzung gewährleisten, die der vierten industriellen Revolution die notwendige Basis schafft.

Schnelle Entscheidungen bei veränderten Einflussgrößen sind das Merkmal einer agilen, resilienten Produktion. Intelligente Assistenzsysteme liefern kontextsensitive Informationen als Entscheidungsgrundlage.

Schnelle Entscheidungen bei veränderten Einflussgrößen sind das Merkmal einer agilen, resilienten Produktion. Intelligente Assistenzsysteme liefern kontextsensitive Informationen als Entscheidungsgrundlage.

Das Ziel ist die intelligente Fabrik

Erfolgreiche Auftragsdurchläufe in einer Fabrik sollten reproduzierbar sein und als Vorlage für weitere Aufträge genutzt werden können. Neue Produkte mit ähnlichen Merkmalen werden dadurch besser beherrschbar bzw. können möglichst produktiv und prozesssicher durch die bekannte Prozesslandschaft geführt werden. Die besondere Herausforderung besteht dabei in der Datenerfassung, der anfallenden großen Datenmenge und der vielfältigen Systemlandschaft in den Produktionsunternehmen. Darüber hinaus müssen diese Informationen systematisch verknüpft werden, um die gewünschte Aussagekraft zu erhalten. Es ist wichtig, dass die Informationen in Echtzeit zur Verfügung stehen und möglichst „breit“ zugänglich gemacht werden. Schlussendlich ist in der intelligenten Fabrik die Informationsverknüpfung über den ganzen Produktentstehungsprozess anzustreben.

Die Überwachung laufender Prozesse wird heute über MES-Systeme weitestgehend gelöst. MES-Systeme ermitteln Kennzahlen, geben Hilfestellung bei der Produktionsprozess-Analyse und unterstützen die Planung von Produktionsaufträgen. Kleine Selbststeuerungseffekte können bereits im Dialog mit der Automatisierungsebene erzielt werden. Noch ist allerdings zu beobachten, dass die Erkenntnisse aus den erfassten und ausgewerteten Informationen der MES-Systeme im Produktionsumfeld isoliert bleiben. Lediglich betriebswirtschaftliche Betrachtungen greifen bereits auf die MES-Daten zu. Nun stellt sich allerdings die Frage, ob MES-Systeme nicht auch interessante Informationen für weitere Teilbereiche im Produktentstehungsprozess bieten?

Früherkennung prozesskritischer Produktmerkmale

Der klassische Produktionsprozess, z. B. im Maschinenbau, startet seine Wertschöpfungskette mit einer technischen Zeichnung. Diese dient als Grundlage für alle weiteren Prozessschritte, bis hin zum fertigen Produkt. Das MES-System beginnt seine Datenerfassung ab dem Zeitpunkt des Auftragsstartes an der Produktionsmaschine. Gelingt es nun, die erfassten Prozessdaten mit vorab definierten Produktmerkmalen aus der Konstruktion zu verknüpfen, können prozesskritische Merkmale eindeutig identifiziert werden. Diese eindeutige Zuordnung ermöglicht nun dem Konstrukteur, neben der Markt- und der Technik- Anforderung, auch die hauseigene Produktionsprozessstabilität zu berücksichtigen. Es ergibt sich eine Verknüpfung von Einzelintelligenzen zu einem Wissensmanagement über den Shopfloor hinaus.

Gelerntes produktiv einsetzen

MES-Systeme liefern Daten und Erkenntnisse aus den laufenden Teilprozessen. Es gilt nun, die Informationen aus den „Einzelintelligenzen“ zu ordnen und einer produktorientierten Prozessdokumentation zuzuführen. Best Practice-Prozesse werden dadurch dokumentiert und können für Folgeaufträge sofort zum Einsatz gebracht werden. Über ein Produktähnlichkeitsmanagement können selbst für neue Produkte stabile und resiliente Produktionsprozesse abgeleitet werden. Hierzu haben sich datenbankbasierte Produktionsmanagement-Systeme bereits etabliert. Der Smart Factory Anspruch, alternative Wege zum gewünschten Ziel aufzeigen zu können, wird durch die lückenlose Dokumentation aller Produktionsinformationen bestmöglich erfüllt.

Die etablierten Software-Systeme, wie MES und Produktionsdatenmanagement, bieten schon heute Funktionalität, die das Zusammenführen von Teilintelligenzen aus unterschiedlichen Prozessebenen zu einem einheitlichen Wissensmanagement ermöglicht. Der Wandel zur intelligenten Fabrik hat bereits begonnen und wird selbstverständlich die Entwicklungsabteilungen der beteiligten Systeme auch in Zukunft in einem hohen Maße beschäftigen.

Smart Factory braucht smartes Personal

Industrie 4.0 hat die Zielsetzung Ressourceneffizienz und -produktivität kontinuierlich über ein gesamtes Wertschöpfungsnetzwerk zu verbessern. Das Internet der Dinge und Dienste ist die Zauberformel, die zukünftig Maschinen, Logistiksysteme und Betriebsmittel in sogenannte Cyber-Physical Systems (CPS) global vernetzt. In der neu entstehenden Smart Factory tauschen intelligente Maschinen, Logistiksysteme und Betriebsmittel eigenständig Informationen aus. Die Systeme setzen Aktionsmaßnahmen und steuern sich selbst. Der Mitarbeiter in der intelligenten Fabrik trifft dadurch auf ein verändertes Kompetenzprofil. Das Steuern und Regulieren sowie die Gestaltung von Produktionsprozessen wird eine wichtige Aufgabe werden. Für diese Tätigkeiten werden dem Mitarbeiter intelligente Assistenzsysteme zur Verfügung gestellt. So kann sich der Mitarbeiter auf die kreativ wertschöpfende Tätigkeit konzentrieren – Routineaufgaben werden verringert bzw. komplett eliminiert. Der Einsatz moderner Kommunikationssysteme, die im Privatbereich bereits eine hohe Akzeptanz erreicht haben, lässt die Grenze zwischen Beruf und Freizeit verschmelzen. Eine Flexibilisierung der Arbeitsorganisation ermöglicht ein besseres Zusammenspiel zwischen Beruf und Privatleben. Notwendigen Weiterbildungsmaßnahmen fließen in den Tagesablauf ein – die Work-Life-Balance wird erhöht.

Der Mitarbeiter – Garant einer kontinuierlich hohen Produktivitätsrate

Der Selbststeuerungseffekt vernetzter Systeme (CPS) ist von einer hohen Automatisierung geprägt. Doch wird man auch in Zukunft nicht auf den kreativen Prozessgestalter und Regulierer verzichten können. Dynamische Reaktionen auf unvorhersehbare Änderungen im Produktionsprozess müssen immer noch von Menschen angestoßen werden. Ein widerstandsfähiger Wertschöpfungsprozess zeichnet sich dadurch aus, dass kurzfristige unvorhersehbare Einflüsse sich nicht produktivitätsmindernd auswirken. Diese geforderte Prozessagilität setzt eine hohe Entscheidungsfreude der Mitarbeiter voraus. Unsicherheiten und Verzögerungen bei kurzfristigen Entscheidungen können nur durch eine aussagekräftige Informationsgrundlage verhindert werden. MES-Systeme unterstützen dabei den Mitarbeiter dank einer erweiterten (virtuellen) Sicht auf die realen Wertschöpfungsprozesse in der Fabrik. Der einzelne Mitarbeiter rückt in das Zentrum von Entscheidungen und der daraus folgenden Optimierungsprozesse. Industrie 4.0 spricht von einem „augmented operator“, der steuert, reguliert, gestaltet und vor allem die qualitätssichernde Rolle übernimmt.

Der Mitarbeiter einer vernetzten Produktion kann in die Vergangenheit blicken, daraus einen abgesicherten Plan für die Zukunft entwickeln und vorbeugende Maßnahmen setzen, die unvorhersehbare Ressourcenausfälle reduzieren. Ein Szenario, das Stabilität und zugleich Flexibilität in der Produktion garantiert.

IT-Systemanbieter tragen Rechnung

Deutsche Softwarehäuser, wie zum Beispiel Coscom oder Proxia, haben die Anforderung von Informationsvernetzung und bedarfsgerechte Informationsbereitstellung in ihre Produktentwicklung aufgenommen. Dabei wurde auf die Integration der Mitarbeiter verstärkt Rücksicht genommen. Industrie 4.0 bietet für diese Softwarehersteller eine große Chance, um Assistenzsysteme im Produktionsumfeld für die Mitarbeiter weiter zu etablieren. Die angestoßene Entwicklung in diesen Bereichen sichert die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Produktionsunternehmen im globalen Vergleich nachhaltig.

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