interview

Innovationssprung durch Schneidstoffentwicklung

NACHGEFRAGT Auf der AMB 2016 in Stuttgart stand beim Werkzeughersteller Walter vieles im Zeichen des neuen Schneidstoffes Tiger•tec® Gold. Wesentlichen Anteil an dem Erfolg hat die neue ULP-CVD-Beschichtungstechnologie. Grund genug um bei Jörg Drobniewski, Leiter Schneidstoffentwicklung bei Walter, genauer nachzufragen. Das Interview führte Ing. Robert Fraunberger, x-technik

Speziell der Aluminium-Anteil mit über 80 % ist bei der Tiger•tec® Gold-Beschichtung wesentlich höher, was insbesondere die Hochtemperatur-Verschleißfestigkeit verbessert.

Jörg Drobniewski, Leiter Schneidstoffentwicklung bei Walter.

Speziell der Aluminium-Anteil mit über 80 % ist bei der Tiger•tec® Gold-Beschichtung wesentlich höher, was insbesondere die Hochtemperatur-Verschleißfestigkeit verbessert. Jörg Drobniewski, Leiter Schneidstoffentwicklung bei Walter.

Zur Person

Jörg Drobniewski leitet seit 1999 die Schneidstoffentwicklung bei der Walter AG. Seine Karriere im Unternehmen begann er 1997 als Entwicklungsingenieur im Bereich Forschung und Entwicklung. Herr Drobniewski hat an der Technischen Universität Dresden Fertigungsverfahren studiert und arbeitete anschließend bei der Tribo Hartmetall GmbH als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später als Hauptabteilungsleiter Vertrieb. Danach vertiefte er beim Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) seine Expertise auf dem Feld der Zerspanung.

Herr Drobniewski, mit Tiger•tec® Gold ist Walter laut eigenen Angaben ein Technologiesprung gelungen. Können Sie das konkretisieren?

Auf dem Gebiet der CVD-Beschichtungen hat sich seit Jahrzehnten das System Mitteltemperatur-TiCN und Al2O3 etabliert. In dieser Zeit wurden durch Weiterentwicklungen dieses Systems große Leistungssteigerungen erzielt, genannt seien hier das -Al2O3, das texturierte -Al2O3 oder die mechanische Nachbehandlung der Beschichtungen. Die entscheidende Frage war, ob dieses System noch genügend Entwicklungspotential für einen nächsten großen Schritt in Richtung höhere Leistungsfähigkeit bietet. Wir haben für uns diese Frage mit Nein beantwortet, mit der Konsequenz, das seit Jahrzehnten etablierte System zu verlassen und völlig neue Wege zu gehen. Das Ergebnis: eine neu entwickelte CVD-Technologie, das ULP-CVD, mit dem wir eine einzigartige TiAlN-Beschichtung darstellen können.

Die TiAlN-Schicht ist ja an sich nichts Neues. Worin unterscheidet sich der Ansatz von Walter?

TiAlN ist bei den PVD-Beschichtungen seit vielen Jahren erfolgreicher Stand der Technik. Unser CVD-TiAlN unterscheidet sich in einigen Punkten aber deutlich. Insbesondere ist der Aluminium-Anteil mit über 80 % wesentlich höher, was insbesondere die Hochtemperatur-Verschleißfestigkeit verbessert. Des Weiteren sind eine bestimmte Texturierung der TiAlN-Kristallite und eine definiert eingestellte Druckeigenspannung der Beschichtung entscheidend für die herausragenden Verschleißeigenschaften. Können Sie die Zusammensetzung der Schicht näher erläutern?

Die Beschichtung ist dreilagig aufgebaut. Auf dem Substrat wird eine TiN-Lage aufgebracht, die eine gute Schichtanbindung sicherstellt. Dann folgt die für den Verschleißschutz entscheidende Lage, das TiAlN. Den Abschluss bildet ein TiN. Diese Toplage wurde in ihren Eigenschaften so optimiert, dass wir ein gutes tribologisches Verhalten sowohl auf Stahl- als auch auf Gusswerkstoffen erzielen. Die komplett goldene Farbe der Wendschneidplatten stellt sicher, dass eingesetzte Schneidkanten sicher erkannt werden können.

Verwenden Sie auch ein spezielles Substrat bzw. neue Geometrien?

Das Substrat haben wir, entsprechend dem Einsatzbereich der neuen Sorte WKP35G, so gewählt, dass eine Kombination aus sehr gutem Zähigkeitsverhalten mit guter Druckfestigkeit erreicht wird. WKP35G ist für alle unsere relevanten Frässysteme geeignet und wird natürlich auch bei zukünftigen Geometrieentwicklungen einfließen.

Wie lange haben Sie an der Entwicklung der Tiger•tec® Gold-Wendeplatten gearbeitet?

Bei der Beantwortung dieser Frage muss berücksichtigt werden, dass wir die komplette Beschichtungstechnologie neu entwickelt haben, inklusive der Beschichtungsanlagen oder der Auswertemethodik. Hier war ein erheblicher Aufwand in der Grundlagenforschung notwendig. Vom Start des Projektes in unserem Haus bis zur Marktreife heute sind ca. fünf Jahre vergangen.

Sie sagen, dass Sie diese Technologie bereits für Sonderwerkzeuge verwendet haben. Welche Ergebnisse haben Sie dabei erzielt?

Neuentwicklungen auf dem Gebiet der Schneidstoffe halten im Hause Walter sehr schnell in Sonderanwendungen Einzug. Wir sprechen hier von Einstzgebieten insbesondere in der Massenindustrie, wo auf den jeweiligen Bearbeitungsfall speziell zugeschnittene Sonderlösungen dem Kunden das Maximum an Leistungsfähigkeit bietet. Dadurch können wir einerseits unseren Kunden unmittelbar den neuesten Stand der Technik zur Verfügung stellen, andererseits sind wir in der Lage, das Potential von Neuentwicklungen unter sehr anspruchsvollen Praxisbedingen zu ermitteln. Unsere neue ULP-CVD-Beschichtung setzen wir seit geraumer Zeit bei bestimmten Anwendungen ein. Beispiele sind hier die Kurbelwellen-Bearbeitung oder die Bearbeitung von Turbinenschaufeln. Selbst bei diesen hochoptimierten Prozessen sind Standzeitsteigerungen zwischen 30 bis und 100 % die Regel.

Wo sehen Sie das Haupteinsatzgebiet der neuen Sorte?

Die neue Sorte WKP35G ist eine Frässorte für die ISO-Anwendungsbereiche P35 und K35. Das Anwendungsgebiet ist sehr breit angelegt, die neue Sorte kommt z. B. in der Automobilindustrie, im allgemeinen Maschinenbau und in der Kraftwerksindustrie zum Einsatz.

Wird es auch weitere Sorten geben?

Das wird es. Die Walter AG verfolgt in der Schneidstoffentwicklung konsequent eine Plattformstrategie. Das bedeutet, dass in der Grundlagenforschung die jeweilige Beschichtungsplattform entwickelt wird und anschließend in der Produktentwicklung in relativ kurzer Zeit komplette Schneidstofffamilien auf den Markt gebracht werden. Diese Strategie haben wir bei unseren bisherigen CVD- und PVD-Tigerfamilien sehr erfolgreich praktiziert und wird mit Tiger•tec® Gold fortgesetzt. Zuerst werden wir das Portfolio der Frässorten für ISO P und ISO K vervollständigen, um dann im nächsten Schritt die neue Technologie auf das Drehen auszuweiten.

Danke für das Gespräch.

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