Messen im Sekundentakt

Praktisch jedermann hat schon einmal mit einem Produkt des Hartmetallspezialisten Ceratizit gearbeitet – alleine 90 % aller Kugeln in Kugelschreibern stammen von diesem Unternehmen. Unter der Kompetenzmarke Cutting Solutions entwickelt und produziert das Unternehmen Werkzeuge für Kunden in der zerspanenden Fertigungsindustrie. Die Messung der Hartmetallschneidplatten erfolgt dabei auf einer automatisierte Messzelle von Blum-Novotest. Das Besondere daran: Die Anlage misst auf wenige Mikrometer genau – und das bei einer Taktzeit von unter vier Sekunden.

MaxiMill 21: 90°-Planfrässystem für die robuste und universelle Anwendung.

MaxiMill 21: 90°-Planfrässystem für die robuste und universelle Anwendung.

Das Werk von Ceratizit Austria liegt malerisch in den Bergen von Reutte in Tirol. Doch in den Werkshallen ist von alpenländischer Gemütlichkeit wenig zu spüren, hier geht es um höchste Präzision. Das Unternehmen ist Lieferant von Hartmetallhalbzeugen und –produkten. Dabei gliedert sich das Portfolio in sogenannte Preforms, Hartmetallstäbe und Wendeschneidplatten.

Neben dem Standort im österreichischen Reutte und dem Hauptsitz in Mamer (Luxemburg) betreibt Ceratizit Produktionsstätten u. a. in Deutschland, Italien, Michigan/USA und Indien. Am Standort Reutte sind etwa 720 Mitarbeiter beschäftigt, das ebenfalls dort ansässige Mutterunternehmen Plansee Group hat insgesamt etwa 6.000 Mitarbeiter. Ceratizit deckt den gesamten Prozess der Hartmetallherstellung und -verarbeitung ab – von der Produktion pulvergepresster Grünlinge und deren Sintern über die mechanische Bearbeitung bis hin zum Beschichten der Teile. Das Programm an Wendeschneidplatten umfasst etwa 2.700 Standardplatten, die nach Katalog bestellt werden können. Hinzu kommen zahlreiche Sondergeometrien, die direkt nach den Anforderungen der Kunden gefertigt werden.

Das kompakte Mess- und Automatisierungskonzept BMK 3 ermöglicht dem Hartmetallspezialisten Ceratizit Wendeschneidplatten hochpräzise und praktisch mannlos zu messen.

Das kompakte Mess- und Automatisierungskonzept BMK 3 ermöglicht dem Hartmetallspezialisten Ceratizit Wendeschneidplatten hochpräzise und praktisch mannlos zu messen.

Eine Vielzahl von Materialien und Beschichtungen

Die MaxiMill 211 ist beispielsweise eine bereits seit 2006 bestehende Werkzeugfamilie von Eck- und Nutfräsern mit Durchmessern von 10 bis 160 mm, die sich sehr flexibel für das Eck- und Planfräsen sowie für das Eintauchen einsetzen lassen. Im MaxiMill 211-System stehen etwa 100 Varianten in einer Vielzahl von Materialien und Beschichtungen zur Verfügung.

Zur Messung der Wendeplatten wurde bisher eine bestehende automatisierte Messanlage genutzt, die jedoch im Jahr 2011 an ihre Kapazitätsgrenzen gelangte. Deshalb wurde nach einer neuen Messzelle gesucht, die zum einen sehr kurze Taktzeiten erreichen, zum anderen möglichst kompakt sein sollte. Auf der Fachmesse Control in Stuttgart sah Daniel Scheiber, Qualitätsbeauftragter der Produktionslinie Pressen bei Ceratizit, das flexible Mess- und Automatisierungskonzept BMK von Blum-Novotest zum ersten Mal. Eine solch kompakte Messzelle, welche Automatisierung und Messtechnik vereint, hatte Scheiber bisher noch nicht gesehen.

Messung und Teilehandling in höchster Genauigkeit und Schnelligkeit ermöglicht das BMK 3 von Blum-Novotest bei höchster Zuverlässigkeit.

Messung und Teilehandling in höchster Genauigkeit und Schnelligkeit ermöglicht das BMK 3 von Blum-Novotest bei höchster Zuverlässigkeit.

Variable Mess- und Prüfzelle in kompakter Form

Mit dem BMK 3 entwickelte die Blum-Novotest GmbH ein flexibles Mess- und Automatisierungskonzept in Form einer variablen, modular erweiterbaren Messzelle, welche bei Integration entsprechender Module auch zusätzliche Aufgaben wie das Sortieren, Kennzeichnen und Verpacken von Bauteilen ausführen kann.

Das Spektrum des BMK 3 reicht vom Einsatz in der Kleinserienfertigung, beispielsweise als flexible Stand-Alone-Mess- und Prüfzelle, bis zum voll integrierten Prozesssystem für die hochproduktive Serienfertigung. Die kompakte Messzelle kann mehrere auf den Einsatzzweck zugeschnittene Messeinrichtungen aufnehmen und ist mit einer Vielzahl von Optionen kombinierbar. So lassen sich u. a. Palettierer oder auch Beschriftungsgeräte integrieren. Der Roboter ist an der Decke des Innenraums angebracht, was ihm zum einen ermöglicht, die gesamte Fläche der Zelle zu erreichen – zum anderen steht so die komplette Bodenfläche des Zelleninnenraums für die Messvorrichtungen zur Verfügung.

Auf einem Hochgeschwindigkeits-Rundtisch werden die Wendeschneidplatten unter das Bildverarbeitungssystem geschwenkt, welches hochpräzise alle Schneidkanten vermisst.

Auf einem Hochgeschwindigkeits-Rundtisch werden die Wendeschneidplatten unter das Bildverarbeitungssystem geschwenkt, welches hochpräzise alle Schneidkanten vermisst.

Besondere Herausforderungen

Peter Mösle, Vertriebsleiter des Geschäftsbereichs Mess- und Prüftechnik bei Blum-Novotest, erinnert sich an die ersten Gespräche: „Wir haben das BMK 3 zwar schon bei einigen Kunden erfolgreich im Einsatz, allerdings kamen bei Ceratizit zwei Herausforderungen hinzu: Die geforderte Taktzeit und die hohe Messgenauigkeit bzw. die zu messende Geometrie.“ Scheiber ergänzt: „An unseren Wendeschneidplatten gibt es keine ebene Fläche, die Schneiden sind bombiert. So lassen sie sich mit herkömmlichen Methoden nur sehr schlecht messen – vor allem nicht in der Genauigkeit, wie sie im Lastenheft gefordert wird.“

„Wir erkannten sehr schnell, dass wir ein hochauflösendes optisches Messsystem einsetzen müssen“, so Mösle weiter. „Kamerasysteme hatten wir bisher nur zur Lage- oder Geometrieerkennung verwendet, nicht zum Messen von Toleranzen im Mikrometerbereich. Die geforderte Taktzeit von 3,5 Sekunden veranlasste uns dazu, statt eines herkömmlichen Roboterarms einen sehr schnellen Deltaroboter zu integrieren, wie er normalerweise im Pick&Place-Bereich in der Verpackungstechnik zum Einsatz kommt.“

Für den Transport der Wendeschneidplatten kommt ein extrem schneller Deltaroboter mit Rapid Prototyping-Vakuumgreifer zum Einsatz.

Für den Transport der Wendeschneidplatten kommt ein extrem schneller Deltaroboter mit Rapid Prototyping-Vakuumgreifer zum Einsatz.

Schritt für Schritt zum Ziel

In einem ersten Meeting wurde das Lastenheft durchgesprochen, das die Anforderungen beschrieb, in einem zweiten Meeting wurde von Blum-Novotest bereits ein Konzept vorgelegt. „Wir haben eine sehr detaillierte Aufgabendefinition erstellt“, sagt Lothar Schmid, Leiter der Produktionslinie Pressen bei Ceratizit. „Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass nur so die bestmögliche Anlage entsteht, weil auf beiden Seiten klar ist, wie das Endergebnis aussehen soll. Wenn wir von Mikrometern sprechen, meinen wir Mikrometer. Das war bei Blum von Beginn an klar, wir fühlten uns dort gleich gut aufgehoben.“

Zunächst wurde ein Konzept mit zwei Robotern verfolgt: Ein Deltaroboter für das Handling der Wendeplatten und ein weiteres Portalsystem für das Handling der Boxen, in welche die Wendeschneidplatten eingelegt werden. „Es zeigte sich aber bereits in der Konzeption, dass zwei Roboter zu teuer und das Zusammenspiel zweier Systeme zu kompliziert waren“, erinnert sich Mösle an die Entwicklung. „Ein Wechselgreifer-System brachte den Durchbruch. Wir setzen nun zwei verschiedene Rapid Prototyping-Vakuumgreifer ein, um die Wendeschneidplatten und die Boxen mit dem Deltaroboter zu transportieren.“

Die Wendeschneidplatten verfügen über Freiformflächen und bombierte Schneiden, weshalb sich herkömmliche Messmethoden bei dieser Produktfamilie nur sehr schlecht eignen.

Die Wendeschneidplatten verfügen über Freiformflächen und bombierte Schneiden, weshalb sich herkömmliche Messmethoden bei dieser Produktfamilie nur sehr schlecht eignen.

Über das Wechselgreifer-System mit einem zweiten Vakuumgreifer werden die Verpackungsboxen aus der Messzelle an die Endbearbeitung übergeben.

Über das Wechselgreifer-System mit einem zweiten Vakuumgreifer werden die Verpackungsboxen aus der Messzelle an die Endbearbeitung übergeben.

Mit dem Ergebnis sehr zufrieden

„Die Blum-Entwickler haben einen tollen Job gemacht“, betont Schmid, „auch wenn die Optimierungsphase nach dem eigentlichen Bau der Anlage länger dauerte als zunächst gedacht. Dafür läuft die Anlage jetzt absolut zuverlässig.“ Mösle begründet: „Wir haben die Anlage erst nach der Optimierung ausgeliefert, als sie zuverlässig ohne Störungen lief. Das kann eben in Fällen, wo wir an den Grenzen der Physik arbeiten, und bei einem Prototypen eben etwas länger dauern.“

Blum führte zu Beginn ausführliche Voruntersuchungen und eine Machbarkeitsstudie durch, um die technischen Risiken zu minimieren. Schmid erklärt die Herausforderungen: „Die Schneidplatten sind für ihre geringe Größe recht schwer und es war nicht einfach, zu gewährleisten, dass sie bei den schnellen Bewegungen des Roboters nicht herabfallen. Auch die Genauigkeit der Messung ist an der Grenze dessen, was technisch möglich ist.“

„Blum hat uns eine kompakte und platzsparende Maschine geliefert“, spricht Schmid einen weiteren wichtigen Punkt an. „Wir sind platzmäßig sehr beengt, da zählt jeder Quadratmeter. Das BMK 3 ist schön kompakt und lässt sich überall aufstellen – und wir haben die Option, die Anlage später tatsächlich in den Produktionsprozess zu integrieren, wie es mir meiner Vision entsprechend vorschwebt.“

Peter Mösle, Vertriebsleiter des Geschäftsbereichs Mess- und Prüftechnik bei Blum-Novotest (links) und Daniel Scheiber, Qualitätsbeauftragter bei CERATIZIT (rechts) arbeiteten bei der Konzeption und Umsetzung der flexiblen Messzelle BMK 3 eng zusammen.

Peter Mösle, Vertriebsleiter des Geschäftsbereichs Mess- und Prüftechnik bei Blum-Novotest (links) und Daniel Scheiber, Qualitätsbeauftragter bei CERATIZIT (rechts) arbeiteten bei der Konzeption und Umsetzung der flexiblen Messzelle BMK 3 eng zusammen.

Peter Mösle, Vertriebsleiter des Geschäftsbereichs Mess- und Prüftechnik bei Blum-Novotest (links) und Lothar Schmid, Leiter der Produktionslinie Pressen bei Ceratizit (rechts) pflegen ein offenes und ehrliches Verhältnis.

Peter Mösle, Vertriebsleiter des Geschäftsbereichs Mess- und Prüftechnik bei Blum-Novotest (links) und Lothar Schmid, Leiter der Produktionslinie Pressen bei Ceratizit (rechts) pflegen ein offenes und ehrliches Verhältnis.

Messen mit höchster Genauigkeit

Die Messzelle von Blum-Novotest bietet messbare Vorteile: Auf der Hälfte des Platzes misst das BMK 40 % mehr Wendeschneidplatten pro Stunde als die alte Anlage – und das bei einer vorher nicht zu erreichenden Genauigkeit. „Wir waren früher auch schon schnell, aber wir messen jetzt das, was wir wollen, nämlich alle Features der Wendeschneidplatte“, erläutert Daniel Scheiber. Schmid ergänzt: „Und wir können die Anlage praktisch mannlos betreiben. Der Bediener schaut nur ab und zu vorbei, um leere Verpackungsboxen nach zufüllen. Unsere Bediener haben die Blum-Anlage extrem gut angenommen.“

„Mit Blum-Novotest haben wir ein sehr offenes und ehrliches Verhältnis, das hat sich in der Entwicklungs- und Optimierungsphase gezeigt“, schließt Lothar Schmid. „Unsere Anforderungen wurden sofort richtig verstanden und hervorragend umgesetzt. Wir haben die geforderte Taktzeit erreicht, bei höchster Genauigkeit der Messung und einem sehr zuverlässigen Prozess. So haben wir große Kapazitätsreserven gewonnen – und können sehen, dass die Vision, die Messung in den Produktionsprozess zu integrieren, durchaus realistisch ist.“

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