interview

SparePartsNow: Digitales Leuchtfeuer im industriellen Ersatzteilgeschäft

Die Mehrzahl der global wertvollsten Unternehmen sind auf digitalen Plattformen aufgebaut. An der Spitze liegen bekanntermaßen Apple und Microsoft. Eine Gemeinsamkeit aller Tech-Giganten: Sie sind aus dem Business-to-Consumer-Markt erwachsen und skalieren seitdem annähernd nach Belieben. Die Industrie erkennt hingegen erst zögerlich die beispielgebenden Mechanismen und skalierenden Netzwerkeffekte für sich zu nutzen.

Im Interview steht Dr. Christian Hoffart, CEO und einer der Gründer der SparePartsNow GmbH aus Aachen, Rede und Antwort.

Im Interview steht Dr. Christian Hoffart, CEO und einer der Gründer der SparePartsNow GmbH aus Aachen, Rede und Antwort.

Traditionelle Strukturen und Hierarchien sowie komplexere (lineare) Wertschöpfungsketten mit noch dazu oftmals spezifischen Anforderungen zählen in diesem Kontext zu den wohl größten Bremshebeln – zusammen mit einem großen Beharrungsvermögen in althergebrachten Geschäftsmodellen. Doch inzwischen werden die Widerstände mehr und mehr auf die existenzielle Probe gestellt. Ein digitales Leuchtfeuer der Transformation sendet dabei die SparePartsNow GmbH: Im Oktober 2022 gestartet, ist die gleichnamige Plattform SparePartsNow für Original-Ersatzteile des Maschinenbaus inzwischen mit mehr als 100 Millionen Euro bewertet. Allemal Grund genug, sich das Start-up aus nächster Nähe anzuschauen, konkret im Gespräch mit einem der Gründer, dem CEO Dr. Christian Hoffart.

Im Oktober 2022 startete die Plattform SparePartsNow für Original-Ersatzteile des Maschinenbaus, inzwischen mit mehr als 100 Millionen Euro bewertet.

Im Oktober 2022 startete die Plattform SparePartsNow für Original-Ersatzteile des Maschinenbaus, inzwischen mit mehr als 100 Millionen Euro bewertet.

SparePartsNow startete im Oktober 2022 und ist heute über 100 Millionen Euro wert. Hätten Sie vor dem Start mit einer solchen Erfolgsdynamik gerechnet, Herr Dr. Hoffart?

Die Bewertung durch unsere Investoren zeugt von Vertrauen. Damit konnten wir unseren Tank ausreichend füllen, um die nächsten Schritte mit voller Kraft anzugehen. Speziell unser Ansatz, auf Kapitalgeber aus dem Umfeld des Maschinenbaus zu setzen, ist demzufolge aufgegangen. Denn die kennen den Markt und die Mentalität der Unternehmen.

Meinen Sie damit die nötige Geduldsfähigkeit, die man haben muss, wenn neue Ideen in traditionellen Branchen etablieren werden sollen?

Ich meine damit das Wissen der Investoren um die Zukunftsfähigkeit des Maschinenbaus und seine Bedeutung als Rückgrat für innovatives Wachstum und ökonomische Nachhaltigkeit in der gesamten Industrie. Das bietet ausreichend Nährstoff für die Digitalisierung und unseren Marktplatz für Original-Ersatzteile des Maschinenbaus. Dabei ist Transparenz sicherlich eine unserer Kerneigenschaften und zugleich eine tragende Säule unseres erfolgreichen Einstiegs in die industrielle Plattformökonomie. Das gilt in allen Belangen: Angefangen bei unserer internen Kommunikation, über die Gespräche mit Investoren und Plattformpartnern bis weit in den Kern unseres Geschäftsmodells.

Was darf ich mir unter der „Transparenz bis in den Kern des Geschäftsmodells vorstellen“?

Als Plattform bringen wir Hersteller und Anbieter von Originalersatzteilen und Komponenten vis-a-vis mit der konkreten Nachfrage der Maschinenanwender zusammen. Wir sehen uns als Schnittstelle und weniger als Gate-Keeper in Form einer anonymen Blackbox, die Lieferanten und Kunden anonym trennt.

Das Prinzip klingt fast zu einfach?

Das Prinzip unseres Plattformgeschäftsmodells ist so einfach wie ein mittelalterlicher Marktplatz – nur mit digitalen Mitteln. Auf der einen Seite ist der Anbieter von Original-Ersatzteilen, auf der anderen der Maschinenanwender als Kunde. Wird man sich im Bedarfsfall einig, gibt es den virtuellen Handschlag, fertig. Die Herausforderung liegt also in der „richtigen“ Umsetzung und Skalierbarkeit der Plattform.

Erfolgreich umgesetzt ist SparePartsNow, die Differenzierung durch Transparenz und digitale Prozesse haben Sie angedeutet, die Finanzierung steht offenkundig auf sicheren Beinen. Wie zufrieden sind sie mit dem Stand der Etablierung?

Wir liegen derzeit bereits weit vor dem Plan. Sowohl was die Angebotsseite der Ersatzteil- und Komponentenhersteller anbelangt als auch hinsichtlich der Zugriffe seitens der Maschinenanwender – und die Attraktivität des Portfolios steigt nahezu täglich. Das zeigt uns deutlich die Zahl der Einkäufer und damit auch die Umsatzkurve.

Was heißt das konkret?

Konkret umfasst die Bestandsliste seit wenigen Wochen mehr als 1.000.000 Artikel. Darunter finden sich Teile und Baugruppen aus Elektronik, Hydraulik, Lager- und Lineartechnik, Spindelbau und vieles mehr. Und bis Weihnachten wollen wir die Marke von 2.000.000 Artikeln knacken.

Das klingt, als hätten die legendären Netzwerkeffekte der Plattformen ihre Arbeit bei SparePartsNow bereits aufgenommen?

Die Vielfalt des Angebotes und der Anbieter steigt kontinuierlich. Zudem kommen immer mehr Anbieter direkt auf uns zu, die mit uns wachsen möchten. Dennoch möchte ich nicht behaupten, dass wir bereits selbst verstärkende Netzwerkeffekte vollends in Gang gesetzt hätten. Im Moment nehmen wir noch immer Schwung auf und haben noch viele Ideen und Ziele im Gepäck.

Lassen Sie uns einen Blick in den Rucksack werfen?

Das gilt einerseits technisch u. a. für das Andocken an die IT-Infrastruktur der Lieferanten zur integrierten Automatisierung des gesamten Verkaufsprozesses. Ebenso können wir, sofern es Sinn ergibt, auch Schnittstellen für große Einkaufsorganisationen liefern und damit als Einkaufsplattform für diese dienen. Andererseits wollen wir aber auch strategisch noch mehr Tempo in die Entwicklung bringen. Hierzu zählt die Erweiterung der Zielgruppe von der Startbasis des Werkzeugmaschinenbaus in den gesamten Maschinenbau ebenso wie die forcierte Internationalisierung.

Erlauben Sie mir das Eingeständnis, dass ich noch nicht recht verstanden habe, wie SparePartsNow so zum offensichtlichen Disruptor werden konnte, dem es zusehend gelingt, selbst etablierte Geschäftsmodelle der Maschinenbauer mehr als nur in Frage zu stellen.

Über Jahrzehnte hatten die Prozesse und Abläufe in der Ersatzteilbranche funktioniert. Es gab also aus der Innensicht der beteiligten Stakeholder vordergründig keine Motivation, irgendetwas zu ändern. Die Schwachstelle war, dass die Kräfteverhältnisse zwischen den Beteiligten dysfunktional waren – die „Macht“ lag bei den Maschinenherstellern und ihrem Ersatzteilgeschäft, was sprichwörtlich auf Kosten der Maschinenanwender und zulasten der originären Hersteller der Ersatzteile ging.

Wodurch sich mir was erklären sollte …?

Anwender des Maschinenbaus konnten Ersatzteile im Bedarfsfall zumeist nur über die Serviceorganisation des Maschinenherstellers beschaffen, der seinerseits die benötigten Komponenten zuvor bei seinen Lieferanten eingekauft und in sein Lager gelegt hatte. Daraus ergeben sich zwei elementare Konsequenzen:

Erstens: In der Praxis erzielen Maschinenhersteller aufgrund ihrer exponierten Position günstige Einkaufskonditionen, was die Margen der Lieferanten verringert. Gleichzeitig war über die Geschäftsbeziehung de facto keine direkte Geschäftsbeziehung Ersatzteilhersteller und Endkunden möglich.

Zweitens: Verkauft der Maschinenhersteller nun an seine Anwender, muss er aus dem Ersatzteilgeschäft seine Lagerhaltung und teure Serviceorganisation bezahlen, die Kapitalkosten aus dem Einkauf refinanzieren, die angefallenen Vertriebskosten einkalkulieren und oftmals immer kostspieligere Umlagekosten für Marketing u. v. m. quer subventionieren.

Das klingt umständlich und scheint teuer…

Die Prozesse sind umständlich und sie sind teuer. Aus diesem Anachronismus resultieren häufig Aufschläge von 300 bis 500 % gegenüber dem ursprünglichen Einkaufspreis. Jeff Bezos hat mal als größten Amazon-Vorteil die Margen der Händler genannt und Kunden die Möglichkeit eröffnet, Produkte direkt an der Quelle und direkt zum niedrigstmöglichen Preis zu beschaffen. Ohne Margen aus dem Zwischenhandel. Das haben wir uns zum Vorbild genommen – und das Prinzip scheint offenkundig nicht nur im Consumer-Geschäfts zu funktionieren.

SparePartsNow ist so etwas wie der „gerechtere Intermediär“?

Fair trifft es wohl besser. Im Grunde sorgen wir mit unserer Plattform für einen Interessenausgleich ohne Umwege. Als toller Nebeneffekt ist der Einkaufs- sowie Bestellprozess nicht nur einfacher und intuitiver, sondern auch deutlich schneller.

Der Anwender kann Original-Ersatzteile und Komponenten jetzt günstiger als zuvor, teils sogar bis zu 50 % unter dem bisherigen Marktpreis, und ganz bequem über unsere Internetplattform direkt beim Hersteller der Ersatzteile bestellen. Der Hersteller der Ersatzteile bekommt durch uns einen neuen und unmittelbaren digitalen Vertriebsweg. Das sichert ihm mehr Marge, ohne in eine eigene Vertriebsorganisation zu investieren. Darüber hinaus kann er den direkten Kontakt nutzen, um mehr über seine Kunden und deren Einsatzfälle und Problemstellungen zu erfahren.

Und das alles auf Kosten des Ersatzteilgeschäfts der Maschinenhersteller.

… denen der Weg auf unsere Plattform offen steht. SparePartsNow ist ein Shop-as-a-Service-Modell für jeden Anbieter – auch Maschinenbauer sind mit ihren Ersatzteilen herzlich bei uns willkommen, um ihre Kundenorientierung mit SparePartsNow unter Beweis zu stellen und sicherzustellen, dass Kunden aus Kostengründen nicht zu Ersatzteilkopierern wechseln oder gar auf gefährliche Plagiate hereinfallen.

Es gibt im übrigen erste große Maschinenhersteller die ernsthaft in Erwägung ziehen ihr Ersatzteilgeschäft zusätzlich zum eigenen Vertrieb über uns abzuwickeln. Eigene Digitalaktivitäten nachhaltig am Laufen zu halten kosten nicht selten einen hohen 7-stelligen Betrag pro Jahr. Da viele Unternehmen realisieren, dass Sie über die vergangenen Jahre nicht sonderlich erfolgreich mit eigenen Digitalaktivitäten waren, steigen die Anfragen seitens der Maschinenhersteller, die mit uns in irgendeiner Form kooperieren wollen. Für mich ist es insofern nicht die Frage ob, sondern wann wir den ersten Big Player bei uns am Bord haben.

Wo bleibt bei der ganzen Fairness der finanzielle Spielraum für das Ertragsmodell von SparePartsNow?

Als Plattform erheben wir eine Provision pro Verkauf, die vom Verkäufer getragen wird. Ebenso stehen viele spannende Services auf der Roadmap, die für zusätzlichen Spielraum sorgen. Mit dem aktuellen Schwung laufen wir zügig auf den Netzwerkeffekt zu, der diese Branche positiv beeinflussen wird. Alles in allem zeichnet sich deutlich ab, dass unser Ertragsmodell nachhaltig sehr robust ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

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