Zielgerichtete Roadmap als strategischer Leitfaden

Die Traktionssysteme Austria GmbH verfolgt mit ihrer „Production Roadmap“ ein sportliches Ziel: Bis spätestens 2025 wollen die Wiener Neudorfer eine Output-Steigerung von 40 % erreichen – und als wäre dies allein noch nicht herausfordernd genug, hat dies auch noch auf gleichbleibender Produktionsfläche zu passieren. Denn Erweiterungsmöglichkeiten gibt es keine mehr am angestammten Firmensitz, aber dafür ein wohlüberlegtes Bündel an unterschiedlichsten Optimierungsmaßnahmen, die man nun sukzessive umsetzen will – Schritt für Schritt, aber immer mit einem „Big Picture“ vor Augen, das noch viel weiter als lediglich die nächsten paar Jahre in die Zukunft reicht.

Der Maschinenpark des Wiener Neudorfer Unternehmens Traktionssysteme Austria GmbH ist historisch gewachsen und umfasst Bearbeitungszentren, Drehmaschinen sowie Schweißroboter.

Der Maschinenpark des Wiener Neudorfer Unternehmens Traktionssysteme Austria GmbH ist historisch gewachsen und umfasst Bearbeitungszentren, Drehmaschinen sowie Schweißroboter.

Danijel Cvijanovic
Leiter der Produktion bei TSA

„Ohne ‚Big Picture' im Hinterkopf und einer klar definierten Roadmap, die mit einer entsprechenden Timeline sowie evaluierbaren Etappenzielen hinterlegt ist, lässt sich eine erfolgreiche, wirklich messbare Mehrwerte stiftende Digitalisierung nur sehr schwer realisieren. Die Verzettelungsgefahr ist einfach zu hoch.“

Etwas mehr als 60 Jahre Industriegeschichte hat die Traktionssysteme Austria GmbH (TSA) bereits geschrieben und natürlich tun die Wiener Neudorfer alles dafür, dass dieser Erfolgskurs anhält. Dabei dienen auf einzelne Abteilungen zugeschnittene strategische Leitfäden, die regelmäßig überarbeitet und neu evaluiert werden, als Orientierungshilfe. Sie geben die organisatorischen sowie technologischen Rahmenbedingungen vor, die es für die Erreichung der angepeilten Ziele braucht. In der „Production Roadmap“ beispielsweise wird für eine kontinuierliche Verbesserung der Operational Excellence ein wohlüberlegter Mix aus Lean Management, Automatisierung und Digitalisierung skizziert. Außerdem spiele das Thema Wertstromdesign und Produktionslayout eine nicht zu unterschätzende Rolle, um die gesamte Wertschöpfungskette maximal effizient zu gestalten, wie Danijel Cvijanovic, Leiter der Produktion bei TSA, verrät. „Von einer klassischen Werkstattfertigung kommend haben wir die Anordnung der einzelnen Arbeitsplätze komplett umgekrempelt, um durch eine dichte Aneinanderreihung derselben die Pufferbestände dazwischen zu reduzieren“, beschreibt er eine von mehreren Optimierungsmaßnahmen, die sich mittlerweile in einer Verringerung der Durchlaufzeiten in der Rotorstraße von 60 % widerspiegeln. Des Weiteren trägt nun ein striktes Einhalten des FIFO-Prinzips (First In – First Out) zu erheblich verkürzten Lieferzeiten bei.

Über das laufende Fertigungsgeschehen wird bei TSA digital Protokoll geführt. Dafür steht eine Vielzahl an Live-Dashboards mit den unterschiedlichsten Kennzahlen zur Verfügung.

Über das laufende Fertigungsgeschehen wird bei TSA digital Protokoll geführt. Dafür steht eine Vielzahl an Live-Dashboards mit den unterschiedlichsten Kennzahlen zur Verfügung.

Christoph Biegler
Lean Production Manager und Industrie 4.0 Spezialist bei TSA

„Bei der Vernetzung unserer Bearbeitungszentren mit dem Werkzeugvoreinstellgerät sind sicher noch ein paar Lücken zu schließen, bis alles vollautomatisiert ohne manuelles Zutun läuft, aber ich bin der festen Überzeugung, dass man zuerst gehen lernen sollte, bevor man sich an einen 100-Meter-Sprint heranwagt. Also machen wir Step by Step.“

Data Science als Enabler eines proaktiven Handelns

Das besondere Markenzeichen der Traktionssysteme Austria GmbH ist die von ihr angebotene Produktvielfalt: Denn jeder elektromechanische Schienen- bzw. Straßenfahrzeugantrieb made in Wiener Neudorf wird individuell entwickelt und für den jeweiligen Einsatzzweck maßgeschneidert. Die Kunden geben an, welche Anschlüsse sowie welche Traktionsleistung sie benötigen und die Niederösterreicher liefern eine passgenaue Antwort. Wobei die Tatsache, dass die Gewichte der zu fertigenden Produkte zwischen 100 Kilogramm und 3,5 Tonnen schwanken können, in Kombination mit relativ kleinen Auftragsgrößen von ein bis maximal 1.000 Stück pro Jahr jedweden Automatisierungsversuch zu einer besonderen Challenge werden lassen. Trotzdem habe sich auch in dieser Hinsicht einiges getan in den letzten Jahren. Die Produktionslosgröße liegt mittlerweile standardmäßig bei vier Stück.

Das meiste bewege sich derzeit aber in den Bereichen Digitalisierung und Industrie 4.0, zumal man mit Christoph Biegler einen ausgewiesenen Experten für diesen Bereich mit an Bord habe. „Im Rahmen eines Reifegrad-Workshops einigten wir uns auf eine Vision 2030, der wir uns nun sukzessive annähern wollen – Schritt für Schritt, aber immer mit dem ‚Big Picture‘ vor Augen“, gibt der ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiter bei Fraunhofer Austria, der 2019 zu TSA wechselte, Auskunft. Ähnlich wie bei der „Production Roadmap“ wurden auch hier vier Themengebiete definiert, die man aktiv vorantreiben wolle: Die Einbindung von Lieferanten und Kunden in eine Smart Supply Chain, in die jeder in Echtzeit Einblick nehmen kann. Die Entwicklung smarter Produkte und Services, die als Türöffner für digitale Geschäftsmodelle fungieren sollen. Tracking & Tracing in der Produktion – Stichwort Maschinendatenerfassung – der Themenkomplex, bei dem die Umsetzungspläne der Wiener Neudorfer dank eines modernen Werkzeugvoreinstellgeräts und neuer Softwarelösungen für die Bearbeitungszentren und Drehmaschinen bereits am weitesten gediehen sind. Und last, but not least befindet sich noch der Bereich Data Science als Enabler für alles andere auf der To-do-Liste der Wiener Neudorfer. „Die Anwendung prädiktiver Instandhaltungsmethoden bei allen kritischen Anlagen und die Abbildung der physischen Produktion in einem Digitalen Zwilling“, nennt Christoph Biegler in diesem Zusammenhang als wichtige Etappenziele. Eine weitere Vision sei die Installation einer Risikoprophylaxe im Fertigungsalltag, „damit wir proaktiv agieren können, wenn Maschinenstillstände, Kapazitätsprobleme oder auch Personalengpässe zu erwarten sind“, erklärt Danijel Cvijanovic.

Transparenz per Knopfdruck: Über das Shopfloor-Dashboard lässt sich das aktuelle Fertigungsgeschehen im Auge behalten.

Transparenz per Knopfdruck: Über das Shopfloor-Dashboard lässt sich das aktuelle Fertigungsgeschehen im Auge behalten.

Als weitere wichtige Etappenziele haben Christoph Biegler und Danijel Cvijanovic u. a. die Anwendung prädiktiver Instandhaltungsmethoden bei allen kritischen Anlagen sowie die Abbildung der physischen Produktion in einem Digitalen Zwilling im Visier.

Als weitere wichtige Etappenziele haben Christoph Biegler und Danijel Cvijanovic u. a. die Anwendung prädiktiver Instandhaltungsmethoden bei allen kritischen Anlagen sowie die Abbildung der physischen Produktion in einem Digitalen Zwilling im Visier.

Echtzeittransparenz auf Knopfdruck

Als eine der größten Herausforderungen bei zunehmend vernetzten Fertigungslandschaften wird von beiden die Herstellung durchgängiger, aber dennoch sicherer Datenflüsse über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg angeführt. „Die Einbindung unserer IT-Abteilung bei der Anschaffung von Neuanlagen wird in Zukunft unumgänglich sein“, ist sich der Leiter der Produktion sicher. Zumal ja auch die Schnittstellen zur Maschinendatenerfassung ausverhandelt müssen, wie er ergänzend hinzufügt. In enger Abstimmung mit Informationstechnikern seien aber auch noch viele weitere Fragen zu klären: Funktionieren die benötigten Verbindungen über MQTT oder über OPC UA? Wie kommen neue Programme in die Anlagen? Braucht es dazu manuelle Eingaben oder können diese über bestehende Barcodes bzw. QR-Codes auf den Laufkarten automatisiert geladen werden? „In Summe gibt es viele kleine Bausteine, die da zu beachten sind. Um am Ende wirklich zielführende Aussagen treffen zu können, müssen die angewandten Data-Engineering-Methoden auf einer soliden, fehlerfreien Basis aufbauen“, streicht der Industrie 4.0-Spezialist Christoph Biegler die Wichtigkeit einer gut durchdachten Strategie beim Umgang mit Daten hervor. „Alles, was zu Beginn verabsäumt wird, muss später um teures Geld ausgemerzt werden“, warnt er vor Abkürzungsversuchen und Schnellschüssen.

Am TSA-Standort Wiener Neudorf lenkte man den innerbetrieblichen Informationsfluss mit tatkräftiger Unterstützung des Linzer Softwareanbieters Testify, der seit 2017 Teil der Haidlmair Group ist, in die gewünschten Bahnen. Als Ergebnis wird nun ausschließlich digital über das laufende Fertigungsgeschehen Protokoll geführt. „Wir sehen die aktuellen Stückzahlen, welche Maschine wann gestartet bzw. gestoppt worden ist, wie lange ein bestimmtes Bauteil bei der Arbeitsstation A, B oder C verweilt, woraus sich Durchlaufzeiten in Echtzeit ergeben und vieles andere mehr“, freut sich Danijel Cvijanovic über eine per Knopfdruck aufrufbare Transparenz, die sich vor allem auch für die Erreichung eines der selbstgesteckten Hauptziele – 40 % mehr Output auf gleicher Produktionsfläche bis spätestens 2025 – als wertvoller Wegbereiter erwies.

„Mittlerweile steht uns eine Vielzahl an Live-Dashboards mit den unterschiedlichsten Kennzahlen zur Verfügung, mit denen die Produktionsplaner genauso arbeiten wie die Fertigungstechnologen, die Mitarbeiter am Shopfloor oder der Vertrieb. Wir alle können nun am Ende des Tages die simple Frage, ob es ein guter oder eher schlechter war, faktenbasiert beantworten“, äußert sich der Produktionsleiter über eine einfach handhabbare Lösung, die bei jedem Bauteil sämtliche qualitätsrelevanten Einflussfaktoren wie die Wuchtgüte, die Kraft beim Pressen, das Drehmoment beim Schrauben oder den Zustand der verwendeten Bearbeitungswerkzeuge erfasst. „Mit der Implementation einer Maschinendatenerfassung wurden die ersten Schritte in Richtung OEE-Auswertung getan, jetzt heißt es die gesammelten Daten sinnstiftend interpretieren zu lernen, damit wir beispielsweise einen sich anbahnenden Spindelbruch im Vorhinein erkennen“, spricht Christoph Biegler abschließend einen für eine Umsetzung in den Jahren 2022/2023 eingetakteten Punkt auf der „Production Roadmap“ der TSA an.

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